Von Isabell Decker und Cornelius Obier, PROJECT M GmbH
Erstmalig hat das Land Baden-Württemberg einen Ideenwettbewerb ausgerufen, der innovative digitale Tourismusprojekte ins Rampenlicht rückt. Mit 111 qualitativ hochwertigen Beiträgen war die Resonanz sehr groß. Unter der Schirmherrschaft von Tourismusminister Guido Wolf wählte eine Fachjury sechs Finalisten und drei Preisträger aus. Die Finalisten und Preisträger wurden am 06. Juni 2018 in der Stadthalle Nürtingen gekürt. Die Preisträger sind: „Die Digitale Familienplattform FAMIGO“ (1. Platz), „Baden-Württemberg zum Mitnehmen. Überall hin. In der Tasche.“ (2. Platz) und „#Makemake – Die Zukunftsapp“ (3. Platz).
Einer der höchstdotierten touristischen Innovationspreise in Deutschland
Schirmherr und Tourismusminister Guido Wolf gab im Rahmen des Tourismustages Baden-Württemberg den Startschuss für den Ideenwettbewerb. Mitmachen konnte jeder, der seinen Firmen- oder Wohnsitz in Baden-Württemberg und eine innovative, zukunftsweisende Idee im Bereich der Digitalisierung für den Tourismus hat. Von einer unabhängigen zwölf-köpfigen Fachjury mit erfahrenen Experten wurden sechs Finalisten und daraus drei Preisträger ausgewählt und prämiert. Diese Ideen wurden mit einem Preisgeld von insgesamt 190.000 Euro ausgezeichnet und werden auf ihrem weiteren Weg unterstützt. Die Preisträger erhielten ein Preisgeld von 100.000 Euro (1. Preis), 50.000 Euro (2. Preis) und 25.000 Euro (3. Preis), das für die Umsetzung der Projektideen eingesetzt werden soll. Zusätzlich erhielten die drei weiteren Finalisten einen Anerkennungspreis jeweils in Höhe von 5.000 Euro.
Baden-Württemberg bei der Digitalisierung im Tourismus auf dem Vormarsch
111 Beiträge, viele davon „Leuchttürme fürs Ländle“ – kreativ, innovativ, marktfähig: Baden-Württembergs Tourismusbranche ist zum Thema Digitalisierung auf allen Ebenen sehr aktiv und sowohl in der Breite als auch Spitze bereits gut aufgestellt. Rund ein Drittel der Beiträge stammt von touristischen Orten und Regionen sowie Stadt- und Gemeindeverwaltungen, ein weiteres Drittel von Unternehmen aus der IT-, der Marketingbranche, Beratungs- und Planungsbranche der Rest entfällt auf die Tourismuswirtschaft i.w.S. Die Beiträge sind überaus kreativ und innovativ: Gaming-Konzepte, digitale Sprachassistenzen mit badischem/ schwäbischen Dialekt, aber auch Datenbankmanagementsysteme zeigen die Bandbreite auf.
Im Schwarzwald zeigt sich dabei ein besonderes Tüftlerpotenzial – fast die Hälfte aller Beiträge kommt von dort. Setzt man die Übernachtungszahlen ins Verhältnis zu der Zahl eingereichter Beiträge, sind vor allem die kleineren Regionen im Innovationsranking vorne dabei. Die Ränge 1 bis 3 werden von den Regionen Liebliches Taubertal, Odenwald und Schwäbische Alb belegt.
Verbesserung der Angebots-, Service- und Kommunikationsqualität mit digitalen Technologien
Bei den Beiträgen zeichnen sich technologisch und inhaltlich klare Trends ab. Technologische Schwerpunkte liegen insbesondere auf Datenmanagement und Anwendungssoftware (Apps) in Verbindung mit Virtual und Augmented Reality. Genutzt werden bestehende und bewährte Technologien, wie beispielsweise Beacons, Virtual und Augmented Reality sowie Systeme der Sprachassistenz und künstlichen Intelligenz. Inhaltlich liegt der Schwerpunkt stark auf zielgruppengenauer Besucherinformation und -lenkung, der Augmentierung von Produkten und Erlebnissen sowie Daten- und Contentmanagement. Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die Preisträger des Ideenwettbewerbs für Baden-Württemberg: „FAMIGO“ und „Baden-Württemberg zum Mitnehmen. Überall hin. In der Tasche“.
1. Preisträger FAMIGO – das digitale Werkzeug für die Familie
FAMIGO ist die Idee eines Familienvaters, Andreas Feldberger aus Kenzingen, welcher sich zum Ziel gesetzt hat, alle für Familien relevanten Informationen zu sammeln und zielgruppengerecht aufzubereiten, sodass Sie zum richtigen Zeitpunkt schnell aufzufinden sind.
Familienfreundlichkeit sichtbar mit einem Klick – strukturiert, einzigartig und übertragbar. FAMIGO ist eine progressive Web Applikation, welche Nutzern digitale Informationen rund um die Stadt oder Kommune, die insbesondere für Familien von Bedeutung sind, liefert. Die IT-Lösung ist ein Gemeinschaftsprojekt, welches alle Akteure einer Kommune mitnimmt, um die Attraktivität einer Kommune für Familien zu steigern. Dazu sammelt FAMIGO Wissen von den unterschiedlichsten Stellen, wie beispielsweise Kommunen oder privaten Anbietern, bündelt diese und reichert sie mit Insiderwissen von ansässigen Familien an. Die Wissensdatenbank spielt je nach den Wünschen und Bedürfnissen des Nutzers die relevanten Informationen auf das mobile Endgerät aus. Nutzer erhalten nützliche Informationen, abgestimmt auf das Alter und die Interessen der Kinder, auf das Smartphone. FAMIGO holt Familien ab, wo sie ohnehin sind und nimmt Sie mit auf ihr individuelles Familienerlebnis.
FAMIGO löst damit Herausforderungen, speziell von kleinen Gemeinden, verbindet Akteure mit Angeboten für Familien mit Kommunen und vernetzt Gemeinde, Bürger, Vereine und Wirtschaft als starkes Netzwerk rund um die Zielgruppe Familie.
2. Preisträger BADEN-WÜRTTEMBERG ZUM MITNEHMEN. ÜBERALL HIN. IN DER TASCHE
Die Marketingagentur Martin Fritz Marketing Kommunikation aus Karlsruhe setzt gemeinsam mit ihrem Partner, Prof. Wölfel von der Hochschule Karlsruhe Technik und Wirtschaft auf ortsbegleitende Informationen als ein Schlüssel für den Tourismus der Zukunft. Baden-Württemberg zum Mitnehmen, eine interaktive App, die Geschichten in der Natur, auf Wanderwegen oder Trails erlebbar macht.
Regionalität in Form von Sprache/ Dialekt, Natur und Historie werden mit digitalen Tools verknüpft und in touristisches Marketing entlang der Customer Journey übersetzt und interaktiv, spielerisch erlebbar gemacht. Der Nutzer kann auf seiner Wanderung selbst aktiv werden. Geschichten können Kapitel für Kapitel, von einem zum nächsten Schild am Wegesrand, erlebt werden. Originell, besonders und typisch baden-württembergisch machen diese Idee die integrierte dialektsprechende Sprachassistenz und unterschiedliche Live-Overlays für das Smartphone-Kamerabild, wie ein Bollenhut oder eine alemannische Hexenmaske. Zusätzlich können Nutzer in der Rolle einer Märchenfigur mitspielen und eine Wanderung in eine digitale Schnitzeljagd umwandeln. Ein Projektvorhaben, welches Digitalisierung nicht als App oder Website sieht, sondern weiterdenkt – ein ganzheitliches Konzept, das die Lebenswelt und insbesondere das Erlebnis im Ländle mit Hilfe von digitalen Möglichkeiten bereichert, ohne von ihr abzulenken.
Auch ein weiterer der sechs Finalisten, die Meta-App-Lösung TouriTukan, zielt auf optimale Besucherinformationen ohne langes Suchen ab. TouriTukan bündelt unterschiedliche Tourismus- und Freizeit-Apps in einem System, einer Freizeitkomplettlösung. Damit handelt es sich um ein Tool zur individuellen Suche und Planung touristischer Aktivitäten und Gestaltung der Freizeit in Form von Kulturerlebnissen, Bewegungsangeboten und sozialer Interaktion basierend auf dem aktuellen Standort, persönlicher Vorlieben und Mobilitätsanforderungen. Städte, Kommunen, Tourismusverbände, Einrichtungen und Unternehmen können auf der Plattform auf die Nutzer abgestimmte Angebote, Veranstaltungen und aktuelle Informationen direkt vermarkten.
Auch digitale Sprachassistenten ziehen zunehmend in die Tourismusbranche ein. Obwohl viele Sprachassistenten wie Siri (Apple), Cortana (Microsoft), Alexa (Amazon) oder Viv (Samsung) schon bei vielen Usern fester Bestandteil des alltäglichen Nutzerverhaltens sind, steckt die Nutzung der Sprachassistenten zur Verbesserung der Angebots-, Service- und Kommunikationsqualität im Tourismus noch in den Kinderschuhen. Die digitale Datenbank mit Spracherkennungssystem „Digital Tourism Experts“ der Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg leistet hier Pionierarbeit. Das Projekt erfasst und sichert Content lokaler Experten und Insider in einer Datenbank und stellt damit ein wegweisendes und wichtiges Projekt auf Landesebene dar. Statische Informationen, lokales Insiderwissen zu Sehenswürdigkeiten und Besonderheiten – emotional aufgeladen und für den Gast lebendig gemacht – zeigt hohe Innovation. Der Nutzer bekommt über den integrierten Sprachassistenten die richtige Information zum richtigen Zeitpunkt und über den richtigen Kanal zur Verfügung gestellt.
Gaming Ansätze und Mixed Reality lassen Nutzer interaktiv in Erlebnisse und Erlebniswelten eintauchen.
Integrierte Gaming Ansätze tauchen in vielen Neuentwicklungen auf, so auch im Wettbewerbsbeitrag „Baden-Württemberg zum Mitnehmen“. Der digitale Trend im Tourismus zielt darauf ab, Nutzern und Gästen Informationen auf spielerische Art und Weise zu vermitteln und sie aktiv einzubinden. Hierfür kommen unter anderem Sprachassistenzsysteme, Chatbots, Instant-Messaging-Dienste zur Informationsvermittlung zum Einsatz. Auf den Gaming Ansatz setzt auch #Makemake, der dritte Preisträger:
3. Preisträger #MAKEMAKE – DIE ZUKUNFTS-APP
Die Zukunftsapp ist neuartig und zukunftsweisend für die Stadtplanung auf dem Weg zur Smart City. Das Kulturamt Stuttgart, als Erfinder und Initiator der Zukunftsapp, fördert und entwickelt damit nicht nur Künstler und Kultureinrichtungen der Stadt Stuttgart, sondern schafft mit einem neuen Tourismusverständnis auch einen ganzheitlichen Ansatz für Einheimische und Touristen.
Die App integriert Städtetouristen aktiv in den Stadterschaffungsprozess. Auf Basis von Augmented Reality-Erlebnissen kann der Nutzer im Spielmodus eine Stadt verändern oder mitgestalten. Gäste und Einheimische werden gleichermaßen „Stadtproduzenten“. Es wird das Ziel verfolgt, interaktive Räume, sogenannte Smart-Sphären, mit touristischen Hotspots, über einem ganzen Stadtgebiet zu vernetzen. Die App bietet Nutzern nicht nur die Gelegenheit, einzigartige digitale Erfahrungsfelder zu öffnen, sondern sammelt auch kreative und innovative Ideen der Nutzer.
Auch der studentische Nachwuchs bringt die Branche in Baden-Württemberg digital voran.
Über die inhaltlichen und technologischen Schwerpunkte hinaus zeigte die Branche im Wettbewerb auch, wie sie digital den aktuell bestehenden Herausforderungen des Tourismus in Baden-Württemberg aber auch Bundesweit begegnen will. Vier Studenten der Dualen Hochschule Baden-Württemberg versuchen beispielsweise in Kooperation mit der Treugast Solutions Group, einer Unternehmensberatung in der Hospitality-Branche, eine Lösung für den bundesweit bestehenden Fachkräftemangel im Gastgewerbe zu finden. Die Studenten entwickelten ein digitales Hotel, welches nicht mehr als 1 1/2 Mitarbeiter für einen erfolgreichen Betrieb benötigt. Ziel des Projektes ist es, unterstützt durch den Einsatz neuester Technologien dem Gast zukünftig einen besonderen Aufenthalt ohne großen Personalaufwand zu gewährleisten.
Damit zeigt der Ideenwettbewerb: Die Akteure in Baden-Württemberg nutzen die Chancen und Herausforderungen des digitalen Wandels und gehen aktiv mit nutzenstiftenden Ideen, Projekten und Maßnahmen an die Arbeit – erfindungsreich und ausgetüftelt. Die abschließende Bilanz des Tourismusministers Guido Wolf:
„Wir haben mit dem Ideenwettbewerb eine große Zahl innovativer Projekte angesprochen und damit die Aufmerksamkeit auf die Digitalisierung der Tourismusbranche gelenkt. Dafür danke ich allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die sich mit vielen tollen Ideen und großem Engagement eingebracht haben. Ich wünsche mir, dass von diesen Leuchtturmprojekten ein Signal in die ganze Tourismusbranche ausgeht, damit wir die großen Erfolge der vergangenen Jahre auch in der Zukunft fortsetzen können.“